Die Natur                                   im Fokus der Fotografie

 

 

Bewegt man sich vom Nordwesten Dalarnas einige Kilometer in Richtung Osten, kommt man zu einem sehr interessanten Überschwemmungsgebiet. Leider kann ich an dieser Stelle keine näheren Angaben zu dieser Örtlichkeit machen, denn es handelt sich um einen Tipp von einem befreundeten Biologen, den ich vor Jahren einmal nach einem geeigneten Beobachtungsplatz für Limikolen in Dalarna fragte und ihm versprechen musste, diese Information nicht weiterzugeben. Das Überschwemmungsgebiet befindet sich mitten in einem großen Waldgebiet und ist auf keiner Karte verzeichnet. Die Benutzung des Smartphones eignet sich dort lediglich dazu einen eventuell benötigten Notruf abzusetzen; ansonsten gibt es dort keine Verbindung zur Außenwelt. Da man sich in Schwedens Wäldern leicht schnell verlaufen kann, empfiehlt sich zur Sicherheit immer die Mitnahme von einem Satelliten-Navigationsgerät.

Tarnzelt im Einsatz

Als ich dieses Sumpfgebiet 2015 das erste Mal aufsuchte, hatte ich ein Tarnzelt mit dabei. Oftmals ist es in dieser Gegend nämlich so, dass zwischen dem Waldrand und den ersten Wasserflächen sumpfiges Gelände vorherrscht, welches kaum natürliche Deckung für den Fotografen oder Vogelbeobachter bietet. Mit der Tarnung erhält man die Möglichkeit etwas näher an das Wasser zu gelangen, denn dort spielt sich in aller Regel das Geschehen ab. 

Bruchwasserläufer (Tringa glareola) und Grünschenkel (Tringa nebularia) mit Nachwuchs habe ich so schon direkt vor das Tarnzelt bekommen. Auch die bei uns unbekannte Nordische Schafstelze (Motacilla flava thunbergi) ist in derartigem Gelände vertreten, eine Art, die ich auch in anderen Gebieten Mittelschwedens noch mehrmals zu Gesicht bekommen habe. Singschwäne (Cygnus cygnus), Kiebitze (Vanellus vanellus), Rotschenkel (Tringa totanus) und einige Entenarten zählen hier zu den Brutvögeln. darunter beispielsweise die Bergente (Aythya marila). Prachttaucher sind in derartigen Gebieten ebenfalls als Brutvögel anzutreffen, jedoch bevorzugen diese Taucher nicht selten größere offene Wasserflächen. Baumpieper (Anthus trivialis), Grünspecht (Spinus spinus) und Wintergoldhähnchen (Regulus regulus) erlebte ich dort ebenfalls als Brutvögel. Auch die Tannenmeise (Periparus ater) ist in den angrenzenden Wäldern vertreten und der wunderschöne Fichtenkreuzschnabel (Loxia curvirostra). 

Bruchwasserläufer

Für den Ansitz im Tarnzelt muss man etwas Geduld aufbringen, aber meist lohnt sich das mitunter stundenlange Warten. So zum Beispiel, wenn Elche (Alces alces) im Sichtbereich auftauchen und mit sehr viel Glück vielleicht auch Braunbären (Ursus arctos). Bärenkot habe ich dort zwar schon gefunden, die Tiere selbst aber noch nicht zu Gesicht bekommen. Es ist einfach schon ein Genuss, allein in einem Zelt mitten in der skandinavischen Wildnis zu sitzen und den Geräuschen der Natur zu lauschen - Geräusche, die uns in dieser Zusammensetzung in Deutschland nur noch ganz selten geboten werden. In den dünnbesiedelten Landschaftsformen Dalarnas hört man stundenlang, vielleicht sogar tage- oder wochenlang nichts, außer Vogelgesang und natürlich Mücken. Diese Stille ist verführerisch! Aber auch die optischen Eindrücke sind mitunter fantastisch, zum Beispiel die Wollgrasflächen (Eriophorum); Gräser, die in sumpfigem Gelände hervorragend wachsen.

Bruchwasserläufer-Küken

Ein weiteres Überschwemmungsgebiet befindet sich in der Nähe von Sälen, etwa 100 Kilometer weiter südlich an der norwegischen Grenze. Auch der Sumpf dort ist ein ausgewiesener Hotspot zur Beobachtung von Limikolen und durch die teilweise beplankten Wege relativ leicht zu durchwandern. Von den Wegen darf man selbstverständlich abweichen, man sollte dies allerdings nur unter größter Vorsicht tun, denn tiefe Löcher im trügerischen Sumpf haben schon oft für nasse Füße gesorgt. Das sind dann aber auch die nur harmlosen Zwischenfälle, denn mitunter ist es sehr schwierig sich selbst aus tieferen Sumpflöchern zu befreien. Ich muss schon allein aus diesem Grund grundsätzlich dringend davon abraten Sumpfflächen allein zu betreten! 

Die für Vogelbeobachter erschlossenen Gebiete werden durch die örtlichen Naturschutzverbände in der Regel recht gut gepflegt und mitunter befinden sich am Rande der Feuchtgebiete auch geschlossene Beobachtungstürme, auf denen man bei Bedarf sogar übernachten kann. In diesen Beobachtungstürmen befinden sich mitunter in Folie eingeschlagene Matratzen und es liegen dort manchmal auch Bestimmungsbücher aus, die dem Neuling in der Vogelbeobachtung ein wenig Hilfestellung bei der Identifizierung der gesichteten Arten bieten. Ich frage mich manchmal, wie lange solche Angebote in Deutschland existieren würden. In Schweden scheint es allerdings normal zu sein, alles vernünftig zu hinterlassen und etwa 60,- EUR teure Bücher nicht in die eigene Tasche wandern zu lassen. Ich gerate immer wieder ins Schwärmen, wenn ich auf solche Gegebenheit treffe, auf Möglichkeiten, die Natur auf eine besonders schöne Art und Weise wahrzunehmen. Wer es noch nicht selbst erlebt hat, der kann es sich vielleicht vorstellen am frühen Morgen in dieser Umgebung aufzuwachen, vor die Tür zu treten und das zeitige Treiben der Vögel hautnah zu beobachten. 

Es gibt tatsächlich manchmal auch Unterschiede zwischen den verschiedenen Lokalitäten. So ist dieses zweite Überschwemmungsgebiet dafür bekannt, dass hier das größte Brutvorkommen des Sterntauchers (Gavia stellata) in Schweden existiert. Bis zu 18 Brutpaare dieser Taucherart sind hier in manchen Jahren schon gezählt worden; die ebenfalls dort vorkommenden und für Mittelschweden fast schon typischen Prachttaucher, scheinen dann beim direkten Vergleich dieser Zahlen nur eine Randerscheinung darzustellen. Beindruckend ist für mich dort auch das Vorkommen des Großen Brachvogels (Numenius arquata), der hier ebenfalls Jahr für Jahr als zuverlässige Brutvögel registriert werden. 

Großer Brachvogel

Natürlich trifft man auch hier wieder auf die Nordische Schafstelze sowie auf weitere Limikolen-Arten. Interessant ist auch das kurze Stück Wald, das man auf dem Weg zum Beobachtungsturm durchläuft. Hier brüten in der Zeit um den Juni mehrere Paare Trauerschnäpper (Ficedula hypoleuca) in den bereitgestellten Bruthöhlen, oder auch in natürlichen Baumhöhlen, sofern vorhanden. Das zuletzt beschriebene Überschwemmungsgebiet ist insgesamt 103 km² groß und bietet auch an anderer Stelle noch gute Möglichkeiten sich auf Vogelbeobachtung zu begeben. 

Nordische Schafstelze. Ein Weibchen mit Futter für den Nachwuchs im Schnabel.


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