Aber nicht nur die Unglückshäher gelten im Nationalpark Fulufjället als ornithologische Besonderheit. Ein Paar des selten in der Natur zu beobachtenden Gerfalken (Falco rusticolus) konnten bis 2018 als Brutvögel in dieser Gegend registriert werden.
Der Gerfalke ist die größte Falkenart. Unterschiedliche Farbmorphen stellen die Vertreter dieser Spezies in verschiedenen Gefiederfarben dar. Es handelt sich beim Gerfalken um eine zirkumpolare Falkenart, deren Brutgebiete in der Arktis und Subarktis liegen. Bereits im Februar kommen die Gerfalken sonst üblicherweise ins Fulufjäll. Hier finden sie beste Bedingungen zur Fortpflanzung vor, wie beispielsweise in den höheren Lagen die Schneehühner, die als wichtige Nahrungsgrundlage bei der Jungenaufzucht dienen.
Leider ist einer der beiden sonst regelmäßig im Fulufjäll brütenden Gerfalken im März 2018 tot in der Nähe des Wasserfalls aufgefunden worden, so dass es in dem Jahr zu keiner Brut im Nationalpark gekommen ist. Es bleibt zu hoffen, dass der überlebende Vogel in den folgenden Jahren mit einem neuen Partner in das Fulufjäll zurückkehrt und dort weiter für die Stabilisierung der Population sorgt.
Auch der Dreizehenspecht (Picoides tridactylus) ist ein Brutvogel in dieser Landschaft. Dadurch, dass dieser Spechtart jegliche Rotfärbung im Gefieder fehlt, ist sie leicht bestimmbar. Dreizehenspechte haben eine starke Bindung zu Fichtenbeständen entwickelt, können aber auch in anderen Baumformationen angetroffen werden. Im Juni 2018 gelang es mir im Nationalpark ein Paar Dreizehenspechte ausfindig zu machen, die mehrere noch in der Bruthöhle befindliche Jungspechte zu versorgen hatten. Die Jungtiere befanden sich kurz vor dem Ausflug und wurde an diesem Tag noch regelmäßig von den Eltern mit Nahrung versorgt. Zwei Tage später hielt ich mich noch einmal in der Nähe der Spechthöhle auf. Die Jungvögel bettelten noch lautstark, aber über eine Zeitdauer von etwa 1,5 Stunden ließ sich kein Elternteil in der Nähe der Höhle beobachten. Offensichtlich sollten die jungen Dreizehenspechte durch das Hungergefühl aus der Bruthöhle gelockt werden.
Seit einigen Jahren war ich im Fulufjället-Nationalpark immer wieder auch auf der Suche nach der Sperbereule (Surnia ulula), einer Eulenart, die vornehmlich am Tag oder während der Dämmerungszeiten aktiv ist. Auch ihr Verbreitungsgebiet erstreckt sich über die borealen Nadelwälder Eurasiens und Nordamerikas. Vor allem lückenhafte Baumbestände werden von dieser Spezies als Lebensraum bevorzugt; so auch die dünnen Bäume darin, die ihr als Ansitz für die Jagd dienen. In den von ihnen genutzten Habitaten müssen zudem ausreichend alte Baumbestände vorhanden sein, in denen sich halboffene Baumhöhlen für die Brut und spätere Aufzucht der Jungvögel befinden. Die Sperbereule gehört somit zu den Vogelarten, die von dem Holzeinschlag in den nordischen Gebieten unseres Kontinents profitieren. Gerade im Fulufjäll sind die lückenhaften Lebensräume noch in natürlicher Form vorhanden, durch die Gebirgsformation, die Sumpfgebiete sowie das zahlreich vorhandene Totholz in diesem Nationalpark.
In all den Jahren habe ich die Sperbereule nur anhand ihrer Rufe identifizieren können; ich wusste dadurch, dass sie im Fulufjäll vorkommt und hatte auch durch Bekannte die Bestätigung erhalten. Manchmal sollen Einzeltiere sogar direkt vom Naturschutzzentrum aus zu beobachten sein, hinter dem sich ein Sumpfgebiet anschließt, mit einzelnen Bäumen, auf denen hin und wieder eine Sperbereule zu sehen ist.
Im Jahr 2018 hatte ich dann kurz vor der letzten Reise nach Mittelschweden erfahren, dass eine Gruppe dänischer Ornithologen im Fulufjäll einen Brutbaum der Sperbereule entdeckt hat. Die Reise versprach allein dadurch spannend zu werden. So sollte es 2018 nun endlich einmal zu einer Sichtung dieser mittelgroßen Eulenart kommen; so jedenfalls der feste Entschluss, der durch die Gesetze der Natur selbstverständlich in eine gewisse Abhängigkeit gebracht werden muss. Doch manchmal hilft auch der Zufall ein wenig weiter, wie in diesem Fall. Mitte Juni 2018 hielt ich mich mit einigen Bekannten gemeinsam im Fulufjäll auf. Wir befanden uns an einer Stelle, an der ich ein Jahr zuvor Unglückshäher fotografiert habe. Mit einer Fotoausrüstung auf der Schulter fällt man auf und so bemerkte ich auch einen Mann, der genau mit einer solchen Ausrüstung auf mich zu kam. In leisem Ton sagte er zu mir: "Hast du die Sperbereulen schon gesehen?" Als ich die Frage verneinte, forderte er mich auf ihm unauffällig zu folgen. Unauffällig, weil sich zu viele Touristen in der Nähe befanden, die von den anschließenden Aktivitäten Wind bekommen könnten. Wir verließen den befestigten Weg und bewegten uns einige Meter in den Wald hinein. Bald schon stießen wir auf die erste von 3 Jungeulen, die in etwa 3 Metern Höhe auf einem waagerecht verlaufenden Ast saß. Die anderen 2 Jungvögel entdeckten wir einen kurzen Augenblick später und dann auch die beiden Elterntiere. Es war fantastisch, denn es musste sich um genau die Sperbereulen gehandelt haben, die die Dänen einige Wochen später noch an ihrem Brutbaum beobachteten. Einige Zeit hielten wir uns unauffällig in der Nähe der jungen Eulen auf, die sich als perfekte Fotoobjekte offenbarten.
Juvenile Sperbereulen und Elternteil im Fulufjäll
Der Juni scheint sowieso eine günstige Zeit zu sein, um den mittleren Teil Schwedens für Vogelbeobachtungen zu bereisen. Zu dieser Erkenntnis kam ich im Laufe der Zeit immer wieder. So zählt seit vielen Jahren auch immer wieder ein Paar Wasseramseln (Cinclus cinclus) zu den Vogelarten, die regelmäßig an ein und der derselben Stelle im Nationalpark anzutreffen sind. Immer haben die Alttiere zu dieser Reisezeit die Schnäbel voll, um ihren Nachwuchs mit Nahrung zu versorgen. Im Jahr 2018 entdeckte ich dann auch das Nest mit insgesamt 2 Jungvögeln, die ständig Hunger hatten. Zu bemerken ist dabei, dass es sich um die Nominatform der Wasseramsel handelt, die sich anhand ihrer Gefiederfärbung etwas von den in Deutschland vorkommenden Individuen dieser Spezies unterscheitet. Ich bin mit sicher, dass ich diese alten Bekannten auch in den Folgejahren an der gleichen Stelle antreffen werde.
Wasseramsel im Fulufjäll Junge Wasseramseln im Nest