Die Natur                                   im Fokus der Fotografie

 

Der Maskarenpapagei Mascarinus mascarinus (Linné, 1771)


Der Maskarenenpapagei, Mascarinus mascarinus (Linné, 1771), ist eine bereits frühzeitig ausgestorbene Papageienart, die vermutlich endemisch auf der 2.511 km² großen Insel Réunion vorkam. Frühen Berichten zufolge sollen auch Bestände auf Mauritius und Madagaskar existiert haben; hierfür fehlen allerdings bis heute jegliche Beweise. Die Annahmen für eine frühere Existenz der Art auf Mauritius beruhen auf die Aussage eines Peter Mundy, der dort 1638 „gelblich rotbraune Papageien“ sah, und eines Johann Christian Hoffmann, der in den frühen 1670er Jahren “rote Krähen mit gebogenen Schnäbeln und blauen Köpfen“ auf Mauritius beobachtete. Diese Vögel wurden „Indische Krähen“ genannt, und sie tauchen bereits auf einem Kupferstich von Jacob Cornelius (Het Tweede Boeck 1601), zu einem Bericht über van Neck´s Reise aus dem Jahr 1598, auf. Sie hatten die Größe von Sittichen und waren zwei- oder dreifarbig gefärbt. Allerdings stimmte keine dieser Beschreibungen mit dem Aussehen des Maskarenenpapageis überein, und man muss davon ausgehen, dass er nie auf Mauritius und Madagaskar heimisch war und diese Angaben auf den ebenfalls ausgestorbenen Schopf- bzw. Mauritius-Papagei (Lophopsittacus mauritianus) basieren. 

Die Maskarenenpapageien müssen bis zum Eintreffen der ersten europäischen Siedler in paradiesischen Verhältnissen gelebt haben, denn Réunion war bis Mitte des 17. Jahrhunderts unbewohnt. 1640 wurde die Insel aber zu französischem Besitz erklärt, und bereits 1665 erreichten die ersten Siedler die Insel und begannen, das Land zu nutzen. Mit Sklaven wurden in den Flachlandgebieten Zuckerrohr und Bourbon-Vanille angebaut. Dem voranschreitenden Raubbau an der Natur fiel dann auch der Maskarenenpapagei zum Opfer.

Über den Maskarenenpapagei selbst etwas zu schreiben ist normalerweise kein aufwendiges Unterfangen, denn Textquellen zu dieser Art sind selten und Bildmaterial von lebenden Exemplaren existiert nicht. Interessant ist aber, dass die Art offensichtlich ein enges verwandtschaftliches Verhältnis zum Kleinen Vasapapagei (Coracopsis nigra) zeigt, der mich schon seit langem interessiert. Einige morphologische Merkmale erinnern beim Maskarenenpapagei aber auch an Edelpapageien (Eclectus) oder Angehörige der Gattung Tanygnathus, einige Wissenschaftler sehen die Art auch in der Nähe der Edelsittiche.

Bei dem Maskarenenpapageien handelte es sich um einen etwa 35 cm großen Papagei mit einem längeren Schwanz. Der Rücken und die Flügel waren dunkel graubraun, die Körperunterseite etwas heller. Der rote Schnabel war von einer schwarzen Gesichtsmaske gesäumt, der Rest des Kopfgefieders lavendelgrau gefärbt. Die Basis der Schwanzfedern war weiß und die Füße rötlich braun.

Belege für diese Papageienart sind eher rar. Letztendlich sind nur die wenigen Literaturquellen, einige handgefertigte Bilder und wenige Bälge ein Nachweis dafür, dass dieser Vogel einmal Bestandteil der Fauna unserer Erde war. So erwähnte Dubois den Maskarenenpapagei erstmals im Jahr 1674; Carl von Linné beschrieb ihn 1771 in seinem Werk Caroli a Linne Mantissa Plantarum altera Generum editionis VI et Specierum Editionis II auf der Seite 524 und führte ihn als Psittacus mascarinus in die systematische Zoologie ein. Linnés Beschreibung basiert auf Brisson Zeichnung nach einem lebenden Vogel in Paris von unbekannter Herkunft: „In qua regione habitet prorsus me latet. Speciem istam Parisiis vivam observavi.“ (Brisson 1760). Drei Stopfpräparate existierten zu dieser Zeit (Finsch 1868).

Maskarenpapagei. Illustration von Jacques Barraband aus L’Histoire Naturelle des Perroquets (1805)


Bei vielen früheren Autoren hat die Ungewissheit über die systematische Zugehörigkeit des Maskarenenpapageis, aber auch über die genaue Herkunft dieser Vögel, zur Ansammlung zahlreicher Synonyme geführt (Psittacus mascarinus Linné, 1771; Mascarinus madagascariensis Lesson, 1831; Coracopsis mascarina Wagler, 1832; Mascarinus obscurus Bonaparte, 1854; Vaza mascarina Schlegel, 1864; Psittacus madagascarensis Finsch, 1868; Coracopsis obscura Gray, 1870; Psittacus madagascariensis Pelzen, 1873; Coracopsis mascarinus Newton & Newton, 1876; Mascarinus dubiosi Forbes, 1879).

Niemand weiß genau, ob der Zeitpunkt seiner Erstbeschreibung nicht auch mit dem der Ausrottung des Maskarenenpapageis in seiner Heimat zusammenfiel. Aus den 1770er Jahren gab es noch Berichte von frei lebenden Papageien (Cheke 1987), aber der französische Naturforscher Jean Baptiste Georges Geneviève Marcellin Bory de Saint-Vincent bemerkt 1804 in der Veröffentlichung Voyage dans les quatre principales îles des mers d'Afrique, dass er während seines zweijährigen Aufenthalts ab 1801 auf Réunion kein Exemplar mehr gesehen habe und die Art bereits ausgestorben sei.

Weiteren Literaturquellen (Cheke 1987, Hume 2007) lassen vermuten, dass der Maskarenenpapagei auf Réunion bereits um 1780 ausgestorben ist. Man nimmt an, dass mehrere Ursachen zu seiner Ausrottung führten. Neben der bereits erwähnten Verdrängung aus den Flachlandgebieten dürfte die Bejagung durch den Menschen, aber auch eingeschleppte Tiere wie Schweine, Ratten und Katzen einen Anteil daran gehabt haben. Nicht auszuschließen sind auch eingeführte Krankheiten oder Parasiten.

Nach Europa gelangten vermutlich nur fünf oder sechs Exemplare: Ein Vogel lebte in Wien, Brisson (1760) beschrieb ein Tier nach einem lebenden Exemplar und Levaillant (Levaillant 1805) will drei Exemplare gesehen haben. Alle diese Vögel sind wahrscheinlich bis 1800 verstorben, lediglich ein Maskarenenpapagei befand sich danach noch in der Menagerie von Ludwig I., König von Bayern; dieser Vogel starb nach einer historischen Literaturangabe (Hahn 1834) 1834 oder 1835 und wurde leider nach seinem Tod nicht konserviert. Carl Wilhelm Hahn malte diesen Maskarenenpapagei noch zu Lebzeiten und überlieferte somit über dessen Aussehen noch brauchbare Details und die vermutlich letzte Abbildung eines lebenden Vogels.

Hahn gibt an, dass der Maskarenenpapagei von Ludwig I. 1834 bereits über 50 Jahre alt gewesen sein musste. Über seine Ernährung wusste Hahn zu berichten, dass er mit Früchten gefüttert wurde; das Verhalten beschreibt er als nicht sehr lebhaft, aber die Stimme sei grell. Allerdings wird hin und wieder erwähnt (Hume  2007), dass Hahns Abbildung lediglich die Kopie der damals bereits veröffentlichten Abbildung des Maskarenenpapageis in Buffons Werk (1779) sei und er in Wirklichkeit nie einen lebenden Vogel zu Gesicht bekommen habe.

Neben den Zeichnungen existieren noch die beiden Bälge im Muséum national de’Histoire naturelle in Paris (Katalog-Nr.: 1998-1725) und im Naturhistorischen Museum in Wien (Katalog-Nr.: NMW 50.688), auf die ich nachfolgend noch eingehen möchte. An beiden Exemplaren wurden vor einiger Zeit im Smithsonian Institution Washington mittels Röntgenaufnahmen Messungen einiger Knochen vorgenommen und diese mit denen des Kleinen Vasapapageis verglichen (Olson 1996).  Beide Spezies weisen in etwa die gleiche Körpergröße auf, der Maskarenenpapagei zeigt aber einige morphologische Differenzen. Dennoch wird er von den meisten Systematikern in der Nähe der Gattung Coracopsis eingeordnet.

Balg eines Maskarenpapageis aus dem

Naturhistorischen Museum in Wien



Von unschätzbarem historischen Wert sind die beiden Bälge des Maskarenenpapageis auf jeden Fall, auch wenn lediglich einer in einem leidlich guten Zustand ist und der andere ein teilweise albinotisches  Exemplar zeigt. Bei dem Wiener Vogel handelt es sich um ein demontiertes Stopfpräparat unbekannten Geschlechts, das im Auftrag Kaisers Franz I. von Herrn L. von Fichtel bei einer Auktion des Museum Leverianum in London im Jahre 1806 gekauft wurde. Hinter der Auktionskatalog-Nr. 5828 stand der Vermerk „Parrot, a curios variety, America“.

Das Exemplar in Paris ist auf einen Sockel montiert. Rothschild (1907) gibt in seinem Werk „Extinct Birds“ neben einer ausführlich kommentierten Literaturliste auch eine Abbildung des Pariser Exemplars, bei dem die Farben auf eine Tafel in Milne-Edwards & Oustalet aus dem Jahr 1893 basieren. Weiteres ist über die beiden Sammlungsstücke nicht bekannt.

Für die freundliche Bereitstellung der Fotos und näheren Informationen zu diesen beiden Präparaten möchte ich den Herren Prof. Dr. Bauernfeind vom Naturhistorischen Museum Wien herzlich danken.

Literatur
Buffon, J. R. (1779):  Histoire naturelle des oiseaux. Vol. VI. Paris
Bory, J. B. G. M. (1804):Voyage dans les quatre principales îles des mers d'Afrique
Brisson, M. J. (1760): Supplementum Ornithologiæ sive Citationes, descriptionesque antea omissæ & species de novo adjectæ, ad suaquaque genera redactæ, Paris
Day, D. (1981): The Doomsday book of animals, London
Cheke, A. S. (1987) An ecological history of the Mascarene Islands, with special reference to extinctions and introductions of land vertebrates. In: Diamond, A. W. (Ed.), Studies of Mascarene Island birds. Cambridge
Dubois, S. (1674):  Les voyages faits par le sievr D.B. aux isles Dauphine ou Madagascar, & Bourbon, ou Mascarenne, és années 1669, 70, 71, & 72: dans laquelle il est curieusement traité du cap Vert de la ville de Surate des isles de Sainte Helene, ou de l'Ascension: ensemble les moeurs, religions, forces, gouvernemens & coûtumes des habitans desdites isles, avec l'histoire naturelle du païs. Paris
Finsch, O. (1868): Die Papageien. Leiden
Forshaw, J. M. (1989): Parrots of the world. London
Fuller, E. (2001): Extinct birds, Oxford
Hachisuka, M. (1953): The dodo and kindred birds, or the extinct birds of Mascarene Islands, London
Hahn, C.W. (1834): Ornitologische Atlas oder naturgetreue Abbildung und Beschreibung der aussereuropäischen Vögel. Erste Abteilung: Papagaien. Nürnberg
Het Tweede Boeck. (1601) Journal oft Dagh-register / inhoudende een warachtig verhael ende historische vertellinghe van de Reyse / gedaen door de acht schepen van Amstelredame / gheseylt in den Maert Martij 1598 onder ‘t beleydt van den Admirael Jacob Cornelisz. Neck ende Wybrandt van Warwijck als vice admirael –van hare zeylagie ende gedenwaerdighe zaken ende geschiedenissen haer op de voortz-reys bejeghent. Ghedruct tot Amstelredam by Cornelis Claesz. Opt Water in ‘t Schrijf-boeck. Amsterdam
Hume, J. P. (2007): Reappraisal of the parrots (Aves: Psittacidae) from the Mascarene Islands, with comments on their ecology, morphology, and affinities. Auckland
Levaillant, F. (1805): Histoire naturelle des perroquets. Vol 2. Paris Levrault
Linné, C. (1771):  [Beschreibung von Mascarinus mascarinus] In: Mantissa plantarum. Regni Animalis Appendix
Mauduyt, P. J. E. (1784): Histoire naturelle des oiseaux.— In: Encyclopédie Méthodique, Paris & Liége
Milne-Edwards, A. & Oustalet, E. (1893): La Protection des oiseaux, Paris
Newton, A. & Newton, E. (1876): On the Psttaci of the Mascarene Islands, Ibis (3)
Robiller, F. (1997): Papageien, Band 2. Stuttgart
Rothschild, L. W. (1907): Extinct birds. London
Olson, S. L. (1996): Avian Paleontology at the Close of the 20th Century: Proceedings of the 4th International Meeting of the Society of Avian Paleontology and Evolution, Washington


Jörg Asmus, Kalmar (Schweden)


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