Erkenntnisse zur taxonomischen Beziehung der Subspezies des Kongopapagein, Poicephalus gulielmi (Jardine)
Zusammenfassung
In Afrika sind vier Genera der Familie Psittacidae vertreten; von diesen ist der Genus Poicephalus Swainson endemisch und umfasst insgesamt neun Spezies. Drei Subspezies des Kongopapageien, Poicephalus gulielmi (Jardine), werden in der Gegenwart allgemein anerkannt; der Status einer vierten Subspezies ist umstritten. Das Verbreitungsgebiet der Nominatform, P. g. gulielmi, erstreckt sich von Süd-Kamerun östlich bis zum Osten der Zentralafrikanischen Republik und südlich bis zum nordwestlichen Teil Angolas; P. g. massaicus (Fischer and Reichenow) findet sein Vorkommen in Süd-Kenia und Nordost-Tansania und die Subspezies P. g. fantiensis (Neumann) bewohnt die Gebiete von Liberia östlich bis Ghana. Das Vorkommen der umstrittenen vierten Subspezies P. g. permistus (Neumann) erstreckt sich über den westlichen und zentralen Teil Kenias. P. g. permistus (Neumann) wird in der Vergangenheit verschiedentlich, aufgrund der Färbung, als intermediär zwischen der Nominatform und P. g. massaicus angesehen und P. g. massaicus zugeordnet. Die Validität dieser vier Subspezies wurde von mir anhand morphologischer Charaktere geprüft. Weiterhin wurde versucht zu ergründen, wo der auslösende Faktor für die Synonymisierung von P. g. permistus liegen könnte.
Differenzierte systematische Stellung von P. g. permistus
Derzeit herrscht unter zahlreichen Taxonomen Uneinigkeit über die systematische Stellung von P. g. permistus; so existieren momentan vier Theorien.
1. P. g. permistus ist intermediär zwischen P. g. gulielmi und P. g. massaicus, eine Zuordnung erfolgt zu P. g. massaicus
2. P. g. permistus wird aufgrund einer unzureichend konstanten Unterscheidungsmöglichkeit zur Nominatform gezählt
3. P. g. permistus wird als intermediär zwischen P. g. gulielmi und P. g. fantiensis betrachtet
4. P. g. permistus wird der Status einer eigenständigen Subspezies zuerkannt
Erstbeschreibung P. g. permistus
Erste Rückschlüsse auf eine eventuell berechtigte Existenz von P. g. permistus ergeben sich selbstverständlich aus der Erstbeschreibung dieser Subspezies durch Neumann (1931). Hier wird eine Intermediärform zwischen P. g. permistus und P. g. massaicus erwähnt und auch in einigen ihrer Merkmalen beschrieben. Als Sammelort für das Typusexemplar von P. g. permistus wird Eldama Ravine angegeben. Neumann (1931) gibt in seiner Veröffentlichung Differenzierungsmerkmale von P. g. permistus zur Nominatform und auch zu P. g. massaicus an: „größerer Stirnfleck; Mangel des blauen Tones auf Hinterhals und Kopfseite; größerer Schnabel“, außerdem „grüne Säume der Flügeldecken und Armschwingen deutlicher und breiter; mennigroter Stirnfleck etwas kleiner; etwas längere Flügel“.
Es ist interessant, dass Neumann (1931) die von ihm beschriebene neue Subspezies die wissenschaftliche Bezeichnung „permistus“ gab; einer Ableitung von dem lateinischen Wort „permiscere“, dass soviel wie „vermischt, vermengt, verwirrt oder auch zusammengewürfelt“ bedeutet. Da Neumann (1931) keine Angaben zu dieser Namenswahl macht, kann nur darüber spekuliert werden. Es ist zu vermuten, dass sich Neumann (1931) für eine Bezeichnung nach dem lateinischen „per-misceo“ für seine neubeschriebene Subspezies entschieden hat, weil er auf diese Weise vielleicht darstellen wollte, dass P. g. permistus sehr viele Gemeinsamkeiten mit der Nominatform aber auch mit P. g. massaicus besitzt beziehungsweise in sich „vereint“ hat. Es handelt sich bei P. g. permistus ohne Zweifel um eine unglückliche Namenswahl des Erstbeschreibers, da von ihm als Grund für „permistus“ keine genaue Erklärung geliefert wurde.
Poicephalus gulielmi gulielmi
Spätere Publikationen zu P. g. permistus und eventuelle Ursachen der Synonymisierung
Interessant ist nun, wie sich der Status von P. g. permistus nach dem Jahr der Erstbeschreibung (Neumann, 1931) geändert hat. In „Checklist of the Birds of the World“ (Peters, 1937) wird P. g. permistus noch inkludiert; 1938 veröffentlichen Mackworth-Praed & Grant die folgenden Zeilen im „Bulletin of the British Ornithologists‘ Club“: „Ein Vergleich der Bälge aus Mau, Ravine und nahe Arusha bestätigt nicht die für diese Rasse vorgegebenen Eigenschaften, z. B. Stirnfleck, Schnabel und blaue Färbung, da wir zwischen ihnen unterscheiden können und es zweifellos auch ein gewisses Maß an individuellen Abweichungen in der allgemeinen Färbung gibt, auch ändert sich die Größe des orangeroten Stirnflecks mit dem Alter. Wir glauben deshalb, dass P. g. permistus Neum. ein Synonym von P. g. massaicus Fisch. & Reichw. ist.“ Hier fand also die zuerst die Synonymisierung von P. g. permistus statt. Allerdings konnten sich beide Ornithologen scheinbar nur am Rande mit dieser Papageienspezies beschäftigen, denn in der Sammlung des National Museum of Natural History, in dem Mackworth-Praed & Grant (1938) ihre Vergleiche zu dieser Veröffentlichung durchführten, befanden sich zu jener Zeit lediglich 6 Bälge aus den von beiden Wissenschaftlern aufgeführten Gebieten. Dr. Robert Prys-Jones (Bird Group, NHM) teilte mir mit, dass diese Veröffentlichung von Mackworth-Praed & Grant (1938) im „Bulletin of the British Ornithologists‘ Club“ nur ein kurzer Hinweis zu dieser Vermutung war. Eine detailliert durchgeführte wissenschaftliche Untersuchung zur systematischen Stellung von P. g. permistus fehlt von beiden Wissenschaftlern.
In „A revised Checklist of African non-passerine Birds“ (White, 1965) wird nun erneut die Synonymisierung von P. g. permistus vorgenommen; der Autor ordnet diese Subspezies ohne jegliche Begründung P. g. massaicus zu. White hielt sich in der Zeit vor 1965 in den Sammlungen des Natural History Museums in Tring und im Royal Museum of Central Africa in Tervuren auf. Nach einer Überprüfung konnte jedoch in keinem der beiden Museen eine Korrespondenz mit White gefunden werden, die sich ausdrücklich auf P. g. permistus bezieht. Es ist wahrscheinlich, dass White (1965) die beiden Subspezies P. g. permistus und P. g. massaicus aufgrund einer Äußerung Peters (1937) zusammenfügte und P. g. permistus somit synonymisierte.
In „Checklist of the Birds of the World“ (Peters, 1937) ist nämlich vermerkt „Vögel von Kikuyu sind intermediär zwischen dieser und der nächsten Rasse“; bei der erwähnten nächsten Rasse handelt es sich um P. g. massaicus. Hier (Peters, 1937) werden ausschließlich die Angaben aus der Erstbeschreibung von P. g. permistus (Neumann, 1931) im Bezug auf die Intermediärform aus dem Kikuyu-Gebiet übernommen. Neumann (1931) erwähnte bekanntlich die intermediären Sammlungsstücke aus dem Gebiet von Kikuyu, nur scheint White (1965) diese Angabe von Peters (1937) eventuell falsch interpretiert zu haben, was sich wahrscheinlich auf die meisten späteren Publikationen zur Taxonomie von P. g. permistus auswirkte. So wird auch in „The Howard and Moore Complete Checklist of the Birds of the World“ (Dickinson, 2003) auf die von White (1965) vorgenommene Synonymisierung von P. g. permistus hingewiesen.
Vergleichende Untersuchungen an Balgmaterialien von P. gulielmi
Einhundertdrei Bälge von Poicephalus gulielmi aus den nachfolgend aufgeführten Sammlungen wurden untersucht: Bayerische Zoologische Staatssammlung, München (3), Muséum National d’Histoire Naturelle, Paris (15), National Museums of Scotland, Edinburgh (1), Natural History Museum, Tring (7), Naturhistorisches Museum, Wien (4), Royal Museum of Central Africa, Tervuren (25), Swedish Museum of Natural History, Stockholm (13), US National Museum of Natural History, Washington (13), Zoological Museum, University of Copenhagen (3), Zoologisches Forschungsinstitut und Museum Alexander Koenig, Bonn (2), Zoologisches Museum, Berlin (17).
Es wurden insgesamt zehn Messbereiche und vierundzwanzig Farbcodes bei den Sammlungsstücken charakterisiert.
Bemerkenswerte Differenzen in der Färbung
In der Färbung der Stirn und des Vorderkopfes der Flügelkante und des Flügelbugs sowie der Schenkel unterscheidet P. g. fantiensis sich deutlich von den übrigen drei Subspezies. Die Ohrdecken und die Wangen sind bei P. g. fantiensis und P. g. gulielmi smaragdgrün gefärbt, bei P. g. permistus resedagrün und P. g. massaicus bereits patinagrün. In der Färbung der Deckfedern und der Handschwingen unterscheidet sich P. g. permistus von den übrigen 3 Subspezies; bei P. g. permistus ist dieser Bereich schwarzgrau und bei den übrigen 3 Artangehörigen schwarz gefärbt. Bemerkenswert erscheint insbesondere auch die Färbung der Federsäume der Flügelbefiederung die bei P. g. fantiensis, P. g. gulielmi und P. g. permistus smaragdgrün sind und bei P. g. massaicus patinagrün. Die Färbung der Schwanzoberseite und auch Schwanzunterseite ist bei P. g. permistus grauoliv, bei den übrigen 3 Subspezies schwarzoliv gefärbt. Interessant ist die Präsenz von maisgelben Federn im Gefieder des Bürzels und der Oberschwanzdecken bei einigen Sammlungsstücken von P. g. gulielmi.
Von oben nach unten: P. g. massaicus, P. g. permistus, P. g. fantiensis, P. g. gulielmi
Von links nach rechts: P. g. massaicus, P. g. permistus, P. g. fantiensis, P. g. gulielmi
Das wohl eindeutigste Merkmal der Subspezies P. g. permistus ist die Färbung des Oberschnabels. Der Schnabelfirst ist bei dieser Subspezies, aber auch bei P. g. fantiensis, elfenbeinfarben P. g. gulielmi besitzt an dieser Stelle hingegen eine schwarzgraue Färbung die auch bei P. g. massaicus von der Schnabelmitte bis zur Schnabelspitze schwarzgrau ist, der obere Bereich vom Schnabelfirst ist bei P. g. massaicus jedoch bis zur Wachshaut elfenbeinfarben. Keine farblichen Abweichungen ergeben sich bei einem Vergleich der elfenbeinfarbenen Schnabelseite aller vier Subspezies. Deutlicher unterscheidet sich jedoch wieder die Schnabelkante. Bei P. g. gulielmi und P. g. massaicus ist diese schwarzgrau und bei P. g. fantiensis sowie P. g. permistus braungrau gefärbt. Die Schnabelspitze zeigt sich insbesondere schwarzgrau bei P. g. fantiensis, P. g. gulielmi und P. g. massaicus; auch P. g. permistus verfügt über eine schwarzgraue Schnabelspitze, allerdings ist diese Färbung nur an der äußersten Spitze des Oberschnabels wahrnehmbar. Insgesamt wirkt der Oberschnabel von P. g. permistus in seiner vornehmlich elfenbeinfarbenen Erscheinung wesentlich heller als die insgesamt dunkel wirkenden Oberschnäbel der Subspezies P. g. fantiensis, P. g. gulielmi sowie P. g. massaicus.
Unterschiede in den morphologischen Maßen der 4 Subspezies
Morphometrische Differenzen sind bei einem direkten Vergleich der genommenen Maße aller vier Subspezies erkennbar.
Fazit
Es kann festgestellt werden, dass die Angaben in Neumanns Erstbeschreibungen (1931) der Subspezies P. g. permistus und deren gefiederfarbliche sowie größenspezifischen Differenzen zu den Subspezies P. g. gulielmi, P. g. fantiensis sowie P. g. massaicus, mit einigen Einschränkungen im Wesentlichen durch die kürzlich durchgeführten Untersuchungen (Asmus, 2005-2006) bestätigt werden können. Das markanteste Unterscheidungsmerkmal von P. g. permistus zu den übrigen drei Subspezies von P. gulielmi benennt Neumann (1931) seinerzeit jedoch nicht – den spezifisch hellen Oberschnabel von P. g. permistus.
Danksagung
Zahlreiche Wissenschaftler europäischer und amerikanischer Museen unterstützten meine Arbeit zum wiederholten Mal mit großzügigen Leihgaben, aber auch mit gutgemeinten Arbeitshinweisen. Leider verhinderte die deutschen Behörden die Untersuchung von weiteren Sammlungsstücken aus dem Peabody Museum of Natural History der Yale University (USA), dem Museum of Comporative Zoology der Harvard University (USA) und dem Field Museum of Natural History Chicago (USA). Den Mitarbeitern dieser Einrichtungen und vor allem Frau Dr. Sylke Frahnert (Zoologisches Museum, Berlin) gilt aber mein besonderer Dank für ihre leider ergebnislosen Bemühungen den deutschen Zoll zu einer Weitergabe der kurzzeitig beschlagnahmten Sammlungsstücke zu bewegen.
Zu guter Letzt möchte ich natürlich auch meiner Lebensgefährtin Ramona Heuckendorf herzlich für ihre Unterstützung bei meiner Arbeit danken.
Jörg Asmus, Kalmar (Schweden)