Die Natur                                   im Fokus der Fotografie

 

Kann die Vogelfotografie der Wissenschaft nutzen, z. B. im Rahmen der Bürgerwissenschaften?

In den letzten Jahren macht in bestimmten Bereichen immer wieder einmal ein Begriff auf sich aufmerksam, mit dem wissenschaftliche Forschungsprojekte unter Mithilfe von oder auch komplett durch interessierte Laien durchgeführt werden. „Citizen Science“ wurde als Begriff Mitte der 1990er-Jahre definiert und dient seitdem unter anderem die Wissenschaft für die Gesellschaft zu öffnen. Die Bezeichnung „Citizen Science“ selbst ist zwar relativ neu und klingt ohne Zweifel modern, jedoch findet die „Bürgerwissenschaft“, die sich hinter dieser Begrifflichkeit verbirgt, ihren Ursprung lange vor dem Ende des 18. Jahrhunderts, als Universitäten noch nicht den modernen Wissenschaftsbetrieb gewährleistet haben. Es war aber bei Weitem nicht so, dass die Bürgerforschung ab dieser Zeit, bis in die 1990er-Jahre hinein, gar keine Rolle mehr in der Wissenschaft spielte. Im Gegenteil, denn bereits im 19. Jahrhundert entstanden zum Beispiel bürgerschaftlich getragene wissenschaftliche Vereine zur Naturkunde, die oft auch selbstbestimmten Forschungsprogrammen folgten, welche sich allerdings nicht immer an genau dem Wissen orientierten, das an den Universitäten gelehrt wurde. Auch auf andere Weise nutzten Wissenschaftler in der Vergangenheit Kontakte zu Nichtakademikern, man denke dabei nur an Charles Darwin (1809-1882), der in Verbindung zu Tierzüchtern stand, um von ihnen Informationen über Zucht- und Kreuzungsbesonderheiten zu erhalten. Oder auch an die Verknüpfung von wissenschaftlich motivierter Vogelhaltung und Verhaltensbeobachtung an handaufgezogenen Vögeln, wie sie von Oskar (1871-1945), Magdalena (1883-1932) und Katharina (1897-1989) Heinroth in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts praktiziert wurde, und der in diesem Zusammenhang entstandene fachliche Austausch mit Wissenschaftlern, wie zum Beispiel Konrad Lorenz (1903-1989). Dies nur stellvertretend für einige Beispiele aus der Vergangenheit, die eine Verbindung von Wissenschaftlern und wissenschaftlichen Laien in Teilbereichen der Ornithologie aufzeigen sollen (Töpfer 2021).

Rotfußfalke (Falco vespertinus). Foto: Jörg Asmus

Auch in der Gegenwart können wichtige Erkenntnisse aus der Vogelhaltung ohne Zweifel auch für die Forschung von Nutzen sein. Ansatzpunkte gibt es dabei genug. Aber nicht nur in der Vogelhaltung! Sicherlich haben auch Sie schon einmal von der jährlich stattfindenden NABU-Aktion „Stunde der Gartenvögel“ gehört, bei der jedes Jahr am zweiten Maiwochenende alle Naturliebhaber dazu aufgerufen werden, Vögel zu notieren und zu melden. Auch die Datensammlungen zu Vogelsichtungen wird nach wie vor stark von Hobbyornithologen beeinflusst, die heutzutage über Meldeportale wie „Ornitho.de“ oder der App „NaturaList“ einfach anwendbar und recht modern geworden sind und jedem ornithologisch interessierten Menschen eine Möglichkeit bieten sich in der Forschung und beim Artenschutz nützlich zu machen. Über derartige Meldeportale erfährt man zum Beispiel mehr über die Verbreitung von verschiedenen Vogelarten und aktuelle Ergebnisse wie den Vogelzug, auch Wissenschaftler von Forschungseinrichtungen interessieren sich dafür. Welche Rolle kann nun aber die Vogelfotografie im Rahmen von Citizen Science spielen?

In erster Linie dient die Vogelfotografie dazu eigene Beobachtungen im Bild festzuhalten und besondere Ereignisse gegebenenfalls zu dokumentieren. Meist tut man dies für sich selbst, manchmal auch um besondere Fotos im Bekanntenkreis zu zeigen. Selten werden die dabei entstandenen Fotos von uns Vogelhaltern zur Veranschaulichung von Geschehnissen in Haltungsberichten eingefügt, die dann bestenfalls in Journal- oder auch Buchbeiträgen veröffentlicht werden. Dabei können Fotos durchaus als „Beweis“ von besonderen Verhaltensmustern der Vögel dienen oder von Merkmalen, die man sich nicht so ohne Weiteres erklären kann. Gern erinnere ich mich persönlich daran, wie mein Freund Herbert Witt (1941-2016) mir im Jahr 2006 das Foto von einem seiner Sonnenvögel (Leiohtrix lutea) zusandte, auf dem ein Weibchen mit einem fast schwarzen Schnabel zu sehen war (Asmus und Witt 2016). Neuerdings wird der Sonnenvogel unter der deutschen Bezeichnung Rotschnabel-Sonnenvogel geführt, was bereits auf die Bedeutung dieser vorgenannten Beobachtung hinweist. Gemeinsam wollten wir dieser Sache dann auf den Grund gehen; wir fragten bei anderen Sonnenvogelhaltern nach, ob man dort schon einmal Ähnliches beobachtet hätte, wir besorgten uns zudem Freilandaufnahmen von Rotschnabel-Sonnenvögeln und besuchten schließlich die naturhistorischen Sammlungen der Museen in Berlin und Tring, um uns die dort vorhandenen Sonnenvogel-Bälge anzuschauen. Während unserer Arbeit fanden wir schließlich heraus, dass die Schnabelfarbe sich bei einigen Unterarten des Rotschnabel-Sonnenvogels sehr wahrscheinlich saisonal verändert und außerhalb der Brutzeit dunkler wird. Auslöser für diese Untersuchung war also NUR das Foto von einem „schwarzschnäbligen“ Rotschnabel-Sonnenvogel!

Aber auch in der Wildlife-Fotografie können Bilder immer wieder als Beleg besonderer Beobachtungen dienen und unter Umständen dabei behilflich sein, bisherige wissenschaftliche Erkenntnisse zu komplettieren. Zugegebenermaßen ist bei dieser Art der Fotografie oft ein entsprechend teures Equipment erforderlich, das häufig nur der vogel- und zugleich fotointeressierte Mensch bereit ist anzuschaffen. Aber wer sein Interesse in beiden Bereichen ausleben möchte, der wird mit Sicherheit nicht enttäuscht sein von dieser schönen Beschäftigung mit Natur und Technik. Was kann man aber anhand von Fotodokumentationen aus der Natur nachweisen? Ich möchte Ihnen nachfolgend einige Beispiele nennen, die ich selbst in den letzten 6 Jahren erleben durfte. So manches Interessantes ist darunter!

Irrgäste
In den weiter oben erwähnten Portalen (ornitho.de) stößt man des Öfteren auf Beobachtungsmeldungen von seltenen Vögeln. Damit meine ich, wenn zum Beispiel Spornpieper (Anthus richardi), Steppenkiebitze (Vanellus gregarius), Steppenweihen (Circus macrourus), Sichler (Plegadis falcinellus), Wellenläufer (Oceaonodroma leucorhoa) oder Gelbbrauen-Laubsänger (Phylloscopus inornatus) von ihren eigentlichen Zugrouten abweichen und sich unter anderem nach Deutschland verirren. Die Beobachtungen solch seltener Sichtungen ist ansich bereits ein besonderes Erlebnis, aber wenn man solche Gegebenheiten auch noch im Bild festhalten kann…!

Nicht nur auf der schwedischen Insel Öland ist es mir in der Vergangenheit das eine oder andere Mal gelungen solche Irrgäste selbst im Bild festzuhalten. Am 12.09.2019 gelang es mir dort einen Rotfußfalken (Falco vespertinus) zu fotografieren. Das europäische Verbreitungsgebiet (Brutgebiet) dieser Spezies befindet sich in Südrussland sowie der Ukraine, aber jährlich werden einige Individuen auch auf Öland gesichtet. Interessanterweise spricht sich auch hier in Schweden (oder vielleicht auch besonders dort) das Vorhandensein von solchen gebietsbedingt ungewöhnlichen Sichtungen sehr schnell herum. Auch hier gibt es entsprechende Meldeportale und die Hobbyornithologen sind sehr gut vernetzt.

Oft sichtet man auf Öland auch den Gelbbrauen-Laubsänger. An der Vogelfangstation Ottenby im Süden der Insel verirrte sich 2020 ein Exemplar nicht nur genau dorthin, sondern über mehrere Tage hinweg flog der beringte Vogel regelmäßig immer wieder in die Fangnetze der Ornithologen. Gelbbrauen-Laubsänger sind eigentlich Vögel der Taigazone der östlichen Paläarktis von Jakutien und Ussuriland nach Westen bis in den nördlichen Ural. Die Überwinterungsgebiete befinden sich in den Subtropen und Tropen von Südostasien bis nach West- und Nordost-Indien.

Ringelgänse auf Öland, Schweden (B. b. hrota). Foto: Jörg Asmus

Ringelgans auf Öland, Schweden (B. b. bernicla). Foto: Jörg Asmus

Am 12.10.2020 befand sich auf Süd-Öland innerhalb einer Gruppe von 25 Ringelgänsen (Branta bernicla) ein Exemplar, dass farblich von den anderen abwich. Es handelte sich dabei um die Unterart B. b. hrota, die hellbäuchige Ringelgans, die eigentlich in den Gebieten Westkanadas, Nordgrönlands, Spitzbergens und des Franz-Joseph-Lands ihren Verbreitungsschwerpunkt findet. Die Überwinterungsgebiet dieser Subspezies liegen an der Küste Südostenglands. Immer wieder kommt es zu solch außergewöhnlichen Beobachtungen auf Öland, so dass dieser Ort innerhalb Schwedens durchaus zu einem Eldorado für Vogelbeobachter gezählt werden kann.

Silberreiher (A. a. modesta) im NSG Große Rosin, Deutschland. Foto: Jörg Asmus

Aber auch in Deutschland ist mir vor einigen Jahren ein Foto von einem Silberreiher (Ardea alba) gelungen, das immer noch Fragen aufwirft. Entgegen den häufig in Deutschland vertretenen Silberreihern hatte dieses Exemplar rote Beine und eine etwas andere Färbung der nackten Gesichtshaut. Aus diesen sichtbaren Merkmalen ließ sich das von mir fotografierte Exemplar auf den ersten Blick als Angehöriger der Unterart A. a. modesta identifizieren. Nach einigen Recherchen stellte sich heraus, dass über die Jahre bereits mehrere Fotos von derartig gefärbten Silberreihern in Teilen Europas gemacht worden sind und auch Spezialisten mehrfach versuchten dieses Phänomen zu klären. Allerdings ist man sich in der Wissenschaft noch nicht so richtig einig, womit das Auftreten solcher Individuen erklärt werden könnte. Eine hormonelle Störung wird vermutet oder auch eine Form der Mutation, eventuell muss die systematische Trennung der Silberreiher-Unterarten auch noch einmal überdacht werden, vielleicht handelt es sich ja auch um entwichene Gefangenschaftsvögel oder tatsächlich um Irrgäste. Verwirrend! Letztendlich wartet man nun auf eine Klärung durch genetische Untersuchungen und vielleicht spielen Fotografien solcher Vögel in naher Zukunft dann doch wieder eine entsprechende Rolle bei der Gesamtbetrachtung dieser Beobachtungen (Asmus 2017).

Gelbbrauen-Laubsänger (Phylloscopus inornatus). Foto: Jörg Asmus

Farbabweichungen
Farbabweichungen bei Vögeln beschäftigen Ornithologen aber auch Laien schon länger, fallen doch insbesondere anders gefärbte Vögel dem Kenner sofort auf. Besonders ansonsten schwarz gefärbte Vögel, wie die Amsel (Turdus merula) oder auch Rabenkrähen (Corvus corone), sind auffällig, wenn bei ihnen einzelne weiße Federn vorhanden oder einzelne Individuen auch gänzlich weiß gefärbt sind. Es gibt teilweise überraschende Erscheinungsformen, mit denen sich auch die Wissenschaft auseinandersetzt. Unserer wissenschaftlichen Berater Hein van Grouw (National History Museum, Tring) beschäftigte sich in der letzten Zeit zum Beispiel intensiv mit der systematischen Unterscheidung aberranter Färbungstypen bei Vögeln und ist sehr dankbar, wenn ihm Fotomaterial von fehlgefärbten Vögeln zugesandt werden. Ich habe ihm dieses Foto einer Gruppe Kormorane zur Verfügung gestellt, dass ich im Oktober 2020 auf Öland aufgenommen habe. Für mich stellte sich die Frage, ob es sich bei dem fehlgefärbten Individuum um ein fortschreitendes Ausbleichen des Gefieders handelt oder um Leuzismus. Der Leuzismus ist durch ein partielles Fehlen von Eu- und Phaeomelanin bedingt und eher selten, während das fortschreitende Ausbleichen als wahrscheinlichere Ursache für diese Farbveränderung anzusehen ist. Im Vergleich zum fortschreitenden Ausbleichen hat sich das Ausmaß der Weißfärbung beim Leuzismus bereits im embryonalen Zustand entwickelt und ändert sich im Verlauf des Lebens auch nicht. Leider hat man dieses Unterscheidungskriterium in der freien Wildbahn in der Regel nicht, da man den Vogel zumeist nur einmal sieht (oder fotografiert). Und somit erhielt ich auf meine Nachfrage bei Herrn Achim Zedler, der sich ebenfalls mit Farbabweichungen bei Vögeln beschäftigt, die persönliche Mitteilung, dass es sich bei dem von mir fotografierten Kormoran um so etwas Ähnliches wie Leuzismus handelt, nämlich das sehr viel häufigere Fortschreitende Ausbleichen. Er bezieht sich bei seiner Aussage auf das Verteilungsmuster, das bei Leuzismus anders in Erscheinung tritt und mit jedem Mauserzyklus fortschreitet (Achim Zeidler, pers. Mitt.). So ganz ausschließen kann man Leuzismus bei dem abgebildeten Tier aber dann doch nicht, da man nicht weiß, ob dieser Kormoran schon immer dieses Verteilungsausmaß weißer Federn besitzt.


Farbabweichung bei einem Kormoran (Phalacrocorax carbo). Foto: Jörg Asmus


Besondere Verhaltensweisen
Mitunter hält man sich bei seinen Fototouren etwas länger an ein und demselben Ort auf und beobachtet dann Dinge, die vielleicht noch nie vorher beschrieben worden sind. So ging es mir im Juni 2015, als ich es mir mit meiner Fotoausrüstung im Göljån-Tal in Mittelschweden gemütlich machte. Ende August 1997 ereignete sich dort eine enorme Flutkatastrophe; innerhalb von 24 Stunden fielen bis zu 400 mm Regen, die höchste je in Schweden gemessene Niederschlagsmenge, was zu Bergstürzen und Überschwemmungen führte. Die Wassermassen des Göljån stiegen bis auf das 500-fache an und durch die bis zu 6 m hohe Flutwelle wurden ca. 10.000 m² Holz abgeknickt, umgeworfen und zu großen Holzstauungen angeschwemmt. Das Totholz beließ man vor Ort und die Natur erholte sich nach und nach.

Als ich mich nun am 25.06.2015 in diesem Gebiet befand, fielen mir im Totholz einige junge Zaunkönige (Troglodytes trodlodytes) auf. Es waren insgesamt sieben Jungvögel und deren Eltern, die sich geschickt durch das Totholz bewegten. Es ist allgemein bekannt, dass flügge Zaunkönige nach Verlassen des Nestes noch lange Zeit gemeinsam unterwegs sind. Somit war es auch nicht weiter ungewöhnlich, dass sich immer 2 oder 3 Jungvögel in unmittelbarer Nähe zueinander aufhielten und an den einen oder anderen Ästchen, Moos- und Flechtenteilen oder ähnlichen Pflanzenbestandteilen zupften. Diese Jungvogelgemeinschaft setzte sich aus drei lockeren Gruppierungen zusammen; verstreut auf eine Fläche von etwa 200 m².

Um 09.43 Uhr geschah dann etwas Außergewöhnliches. Wie auf Kommando fanden sich alle sieben Zaunkönig-Junge gleichzeitig unter einem umgestürzten Baum zusammen, alle Jungvögel, die ich bis dahin gezählt habe. Sie schmiegten sich eng aneinander und schlossen schließlich die Augen. Insgesamt sechsmal wurden die Jungen dann innerhalb einer dreiviertel Stunde von den Eltern mit Insektenlarven versorgt. Die kurzen Fütterungsphasen wurden stets von längeren Ruhephasen unterbrochen. Um 10.27 Uhr verließen alle sieben Jungvögel diesen Ort und setzten ihr zuvor gezeigtes Verhalten fort.

Zaunkönige (Troglodytes troglodytes) im Göljån-Tal. Fotos: Jörg Asmus


In diesem Zusammenhang muss vielleicht erwähnt werden, dass nach meinen Beobachtungen keiner der Elterntiere den Nachwuchs an diese Stelle unter dem Baum gelockt hat. Es hat sich auch nicht um das verlassene Nest gehandelt und aufgrund der vorherrschenden Außentemperaturen war nicht zu vermuten, dass sich die jungen Zaunkönige zum gegenseitigen Wärmen zusammengefunden hatten. Aus Berichten habe ich entnommen, dass sich Zaunkönige mit dem Einsetzen erster Fröste während der Nachtzeit zu Schlafgemeinschaften zusammenfinden. Dabei kann es durchaus vorkommen, dass sich bis zu 20 Individuen in einem alten Nest oder Nistkasten versammeln, um sich gegenseitig zu wärmen und so die kalten Winternächte zu verbringen. Über das hier beschriebene Verhalten junger Zaunkönige habe ich in der mir zugänglichen Literatur jedoch keine weiterführenden Hinweise finden können.

Ernährung
In den meisten Fällen weiß man sehr viel über das Nahrungsverhalten der Vögel. Insbesondere europäische Arten sind in dieser Hinsicht sehr gut erforscht. Aber dennoch gibt es auch unter den europäischen Vögeln immer wieder einmal Beobachtungen von bisher nicht so häufig oder noch gar nicht beschriebenen Situationen. Von Elstern (Pica pica) ist bekannt, dass deren Nahrung in Europa zur Hälfte tierischen Ursprungs ist. Während der Fortpflanzungsperiode decken diese Vögel sogar etwa 95 Prozent ihres Nahrungsbedarfs mit animalischer Kost. Kleine Wirbeltiere bis zur Größe einer Feldmaus werden von der Elster verzehrt. Das können zum Beispiel Amphibien, Echsen, Kleinsäuger und Eier sein, aber auch Nestlinge sowie kleinere Vögel. Ich habe im vergangenen Jahr beobachten können, wie eine Elster in unserem Garten einen Feldsperling (Passer montanus) erbeutete, ihn mit starken Schnabelhieben tötete und danach fliegend in ihrem Schnabel davontrug. Dieses Verhalten der Elstern ist bekannt. 

Etwas anders wäre ein solches Verhalten wiederum bei der den Elstern verwandtschaftlich nahestehenden Dohle (Corvus monedula) zu bewerten, obwohl sich als Mageninhalt auch bei Dohlen in geringem Maße bereits Reste von jungen Vögeln nachweisen ließen. Die Nahrung der Dohle setzt sich vornehmlich aus Samen und Insekten zusammen, gelegentlich frisst sie auch Aas oder ernährt sich von menschlichem Abfall. Seltener wurden sie bisher dabei beobachtet, wie sie Jungmäuse aus einem Mäusenest nahmen oder auch Vogeleier erbeuteten. Conrad (1988) beobachtete am 24.09.1981 in Dessau eine Dohle mit einem Haussperling (Passer domesticus) als Beute. Er konnte an diesem Tag das Rupfen und Kröpfen des Haussperlings beobachten, das Schlagen des Sperlings durch die Dohle konnte von ihm allerdings nicht wahrgenommen werden.

Ich habe am 01.06.2020 eine ähnliche Beobachtung machen und diese auch im Bild festhalten können. An diesem Tag befand sich gegen 06.10 Uhr eine Gruppe von etwa 30 Feldsperlingen auf dem Boden am Futterplatz in unserem Garten. Darunter waren zu einem Drittel etwa auch flugfähige Jungvögel zu erkennen. In unmittelbarer Nähe befanden sich des Weiteren auch 6 Dohlen auf dem Boden. Die sich der Feldsperling-Gruppe schnell nähernden Dohlen wurden sofort als Gefahr wahrgenommen, was immer wieder sofort zu einer fluchtartigen Vergrößerung der Distanz bei den Feldsperlingen führte. Eine Dohle näherte sich hingegen wesentlich langsamer, scheinbar fortwährend nahrungssuchend, einem noch unerfahrenen jungen Feldsperling. In der Nahdistanz erfasste die Dohle den Feldsperling dann schließlich durch eine schnelle Bewegung mit ihrem Schnabel am Hals und drückte ihre Beute sofort auf den Boden. Kurz darauf erfasste die Dohle den Feldsperling mit einem Fuß und zog den jungen Sperling, immer noch mit ihrem Schnabel am Hals der Beute, zu sich und flog einen kurzen Augenblick später mit dem tödlich verletzten Feldsperling davon. Auch wenn diese Darstellung womöglich ein trauriges Beispiel für eine Fotodokumentation aufzeigt, sind solche Szenen doch auch Teil der Natur.

Dohle (Corvus monedula) beim Kröpfen eines Feldsperlings. Fotos: Jörg Asmus

In Anglerkreisen wird hin und wieder berichtet, dass Höckerschwäne (Cygnus olor) auch Fisch fressen. Dabei soll es sich dann um Köderfische handeln oder auch geangelte Kleinfische, die vom Angelhaken gefallen sind. Handelt es sich bei solchen Erzählungen um Anglerlatein, denn nach den Angaben in der Fachliteratur (Rutschke 1988, Kolbe 1999) ernährt sich der Höckerschwan doch von Grünteilen, Samen und Rhizome der Sumpf- und Wasserpflanzen und den sich daran befindlichen Muscheln, Schnecken und Wasserasseln? Auf der Internetpräsentation vom Schwanenschutz-Komitee e.V. (https://www.schwaneschutz-komitee.de) heißt es: „Schwäne sind Vegetarier und fressen weder Fische noch Fischlaich. Bei entsprechenden Untersuchungen wurde in Mägen von Schwänen weder Fische noch Fischlaich gefunden (nachzulesen in dem Buch des renommierten Biologen Prof. Dr. rer. Nat. Erich Rutschke, über Biologie – Ökologie und Verhalten der Höckerschwäne).“ Tatsächlich findet man vornehmlich auf englischsprachigen Internetseiten aber Fotos, auf denen zu erkennen ist, dass einzelne Höckerschwäne einen Fisch im Schnabel halten und diesen scheinbar hin und her schleudern. Ich selbst habe am 13.09.2016 einen Höckerschwan in dem Überschwemmungsgebiet Große Rosin (Mecklenburg-Vorpommern) beobachten können, wie dieser eine Rotfeder (Scardinius erythrophtalmus) teilweise verzehrte. Der Schwan schleuderte den toten Fisch ebenfalls durch schnelle Bewegungen immer wieder hin und her, bis sich kleinere Fleischstücke lösten, die der Vogel dann herunterschluckte. Auch mir gelang es dieses Verhalten im Bild festzuhalten. Zu diesem Verhalten des Höckerschwans bin ich bei meinen Recherchen auch auf andere Quellen gestoßen, die meine eigenen Beobachtungen in Teilen bestätigten.

Höckerschwan (Cygnus olor) mit einem Fisch als Nahrung. Foto: Jörg Asmus

Bei meinem letzten Beispiel zum Thema Ernährung fehlen mir jedoch bislang solche Quellen. Am 22.07.2016 hielt ich ebenfalls im Überschwemmungsgebiet Große Rosin auf, als ich um 06.45 Uhr einen Seeadler (Heliaeetus albicilla) dabei fotografierte, wie dieser in etwas weiterer Entfernung mit einem gezielten Anflug eine Große Teichmuschel (Anodonta cygnea) im Flachwasser ergriff, diese fliegend zu einem abgestorbenen Baum transportierte und dort anschließend verzehrte. Durch ein Spektiv konnte ich beobachten, wie der Adler die Schale der Muschel öffnete und den Inhalt anschließend verzehrte. Leider war es mir nur möglich den Seeadler mit der Teichmuschel in der Kralle zu fotografieren; das Totholz, auf dem er seine Beute anschließend verzehrte, war für ein Foto bedauerlicherweise zu weit entfernt.

Seeadler (Haliaeetus albicilla) mit Großer Teichmuschel. Foto: Jörg Asmus

Meine Absicht mit diesem Beitrag über die Vogelfotografie soll dazu dienen eventuelle Möglichkeiten aufzuzeigen, wie man selbst auf diesem Gebiet einen Bezug zur wissenschaftlichen Forschung herstellen kann. Ich möchte damit nur eine von vielen Anregungen liefern, denn nicht immer muss man im Rahmen von Citizen Science als Bürgerwissenschaftler forschend aktiv werden. Mitunter genügt es auch Daten zu liefern, wie zum Beispiel die zahlreichen ehrenamtlichen Vogelbeobachter, die bei regelmäßigen Kartierungen mithelfen Vogelbestände zu erfassen. Oder man liefert als Fotograf Beweise für eigene seltene Beobachtungen, die der Wissenschaft eventuell auch von Nutzen sein können. Letzteres muss nicht zwangsläufig in der freien Natur stattfinden, sondern kann von uns Vogelhaltern unter Umständen auch bei den eigenen Vögeln praktiziert werden. Dafür wäre dann auch keine so kostenintensive Fotoausrüstung Voraussetzung.

 

Jörg Asmus, Kalmar (Schweden)


Literatur:
Asmus, J. & Witt, H. (2016): Saisonale Schnabelumfärbung bei Sonnenvögeln, Teil 1. Gefiederte Welt 140 (10): 16-19
Asmus, J. & Witt, H. (2016): Saisonale Schnabelumfärbung bei Sonnenvögeln, Teil 1. Gefiederte Welt 140 (11): 22-25
Asmus, J. (2017): Der Silberreiher Ardea alba in unserer Breiten – es wird interessant. GAV-Journal 10: 25-31
Dwenger, R. (1989): Die Dohle. Die Neue Brehm-Bücherei
Kolbe, H. (1999): Die Entenvögel der Welt. Ulmer-Verlag
Pfützke, S. (2013): Vogelzug: Irrgäste sind das Salz in der Suppe der Vogelbeobachter, Vögel-Newslettter
Rutschke, E. (1988): Die Wildenten Europas – Biologie, Ökologie, Verhalten. Aula-Verlag
Töpfer, T. (2021): Die Zusammenarbeit von ornithologischer Forschung und Vogelhaltung. In: Lantermann, W.  & Asmus, J (2021): Wildvogelhaltung. Springer Nature (im Druck)
van Grouw, H. (2013): What colour is that bird? The causes and recognition of common colour aberrations in birds. British Birds 106: 17-29
Zedler, A. (2015): Farbabweichungen bei Vögeln – der aktuelle Wissensstand. Vogelwarte 53: 85-92


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