Die Natur                                   im Fokus der Fotografie

 

100 Jahre BirdLife International

Als gemeinnützige Organisation setzt sich BirdLife International auf internationaler Ebene für den Schutz von Vögeln, ihrer Lebensräume und die Erhaltung der Artenvielfalt ein. Die Ziele dieser internationalen Institution werden von zahlreichen Menschen auf der ganzen Welt geteilt und so entstand im Laufe der Zeit ein umfassendes Netzwerk, bestehend aus nationalen Partnerorganisationen, das sich für eine gemeinsame Zukunft von Vögeln und Menschen engagiert, nach dem Motto „Working together for birds and people“. BirdLife International feierte am 20. Juni 2022 nun sein 100jähriges Bestehen.

Zur Geschichte
Vereinigungen, die sich dem internationalen Vogelschutz widmeten, gab es vor dem 20. Juni 1922 bereits einige. Im Jahr 1883 wurde mit der Bombay Natural Histroy Society (BNHS) die älteste gemeinnützige Vogelschutzorganisation in Indien gegründet. 1889 folgte dann die Royal Society of the Protection of Birds (RSPB), die sich damals aus zwei Frauengruppen bildete, deren Ziel es zunächst war, die Verwendung von Federn bestimmter Vogelarten in der Modeindustrie zu stoppen. Heute zählt die RSPB über eine Millionen Mitglieder weltweit und ist gleichzeitig auch die größte Vogelschutzorganisation Europas. 1905 wurde die National Association of Audubon Society (später National Audobon Society) in den USA gegründet. Diese Gesellschaft ging aus mehreren Vorläufern hervor und ist noch heute eine der wichtigsten Organisationen auf diesem Gebiet in den Vereinigten Staaten von Amerika.

 

Küstenseeschwalbe (Sterna paradisaea). Foto: Jörg Asmus

Dann aber trafen sich im Juni 1922 eine Anzahl Visionäre in London und gründeten zunächst das International Committee for Bird Protection (ICBP). Dies war die Geburtsstunde von BirdLife International. Mit dabei waren unter anderem der Amerikaner Thomas Gilbert Pearson (1873–1943), der zuvor bereits Gründer der National Audobon Society war, und auch Jean Théodore Delacour (1890–1985). Delacour erlangte Berühmtheit durch die Entdeckung von zahlreichen bis dahin unbekannte Vogelarten, aber auch als Züchter von seltenen Vögeln im Rahmen seiner damaligen Tätigkeit im Bronx Zoo sowie aufgrund seiner wissenschaftlichen Arbeit am American Museum of Natural History in New York. Das ICBP wurde 1928 umbenannt in International Committee for Bird Preservation, hieß dann in den 1960ern vorübergehend International Council for Bird Preservation und wurde dann 1994 zu BirdLife International, so wie man es heute kennt.

Die abwechselnden Namensgebungen sollen aber nicht Ausdruck dessen sein, dass es innerhalb von BirdLife International über die Jahre vielleicht chaotisch zugegangen sein könnte. Ganz im Gegenteil.

Herausragende Aktivitäten
1948 half die hier beschriebene Organisation bei der Gründung der heutigen International Union for Conservation of Nature (IUCN), die seit 1964 die internationale Rote Liste gefährdeter Tier- und Pflanzenarten führt und einzelne Spezies gemäß ihres Gefährdungsstatus den jeweiligen Gefährdungsstufen zuordnet. Im Jahr 1968 erregte BirdLife International Aufsehen, als die Organisation die 27 Hektar große Seychellen-Insel Cousin kaufte. Mit dem Kauf sollte der Erhalt der weltweit letzten Seychellen-Rohrsänger (Acrocephalus sechellensis) gesichert werden, der auf Cousin damals in einer Populationsgröße von nur noch 30 Individuen vorkam. Lebensraumvernichtung führte bis dahin zu dem starken Bestandsrückgang bei diesen Vögeln. Mitarbeiter/Unterstützer von BirdLife International entfernten nach dem Erwerb von Cousin die dort vorhandenen Kokosplantagen und förderte das Wachstum endemischer Bäume und Sträucher. Dank dieser Schutzmaßnahme liegt der Bestand des einst seltenen und vom Aussterben bedrohten Rohrsängers heute wieder bei etwa 3.000 Individuen, woraus sich laut Roter Liste eine derzeitige Einstufung als „nur noch“ potenziell gefährdete (Near Threatened) Vogelart ergibt. Aus dieser Schutzmaßnahme zogen auch andere seltene Vogelarten ihren Nutzen, wie der Seychellennektarvogel (Cinnyris dussumieri), die Paradies-Fruchttaube (Alectroenas pulcherrima) oder auch der Seychellenweber (Foudia sechellarum). Ich kann mich persönlich noch sehr gut daran erinnern, wie der bekannte Tiergartenbiologe, Ornithologe und Naturschützer Wolfgang Grummt (1932–2013) mir wiederholt begeistert von seinem Aufenthalt auf Cousin berichtete und seinen überwältigenden Eindrücken beim Anblick von mehreren hunderttausend Seevögeln allein auf diesem Eiland, darunter beispielsweise die Feenseeschwalbe (Gygis alba).

Nach erfolgreicher Arbeit durch BirdLife International entstand im Jahr 1979 die EG-Vogelschutzrichtlinie (79/409/EWG) als erstes gemeinsames Naturschutz-Regelwerk der damaligen Europäischen Gemeinschaft und damit eine Richtlinie, die nach wie vor eine große Bedeutung für alle in Europa vorkommenden Zugvogelarten besitzt. Vor allem während der 1970er Jahre waren Zugvögel auf ihren zum Teil langen Zugstrecken in verschiedenen Ländern massenhaftem Vogelfang bzw. -abschuss ausgesetzt. Dies nahm BirdLife International zum Anstoß, eine europaweite Strategie für den Vogelschutz zu entwickeln, als Ersatz für bis dahin weniger wirksame einzelstaatliche Regelungen. Obwohl zwar der Vogelfang in einigen Teilen der Europäischen Union immer noch praktiziert wird, darf die Existenz dieses Regelwerks durchaus als großer Erfolg bezeichnet werden.

Bälge des Ultramarinloris (Vini ultramarina). Foto: Jörg Asmus


Ende der 1990er Jahre machte BirdLife International schließlich mit der Kampagne „Save the Albatros“ auf sich aufmerksam. Im Rahmen dieser Initiative beschäftige man sich in der Organisation mit der Hauptursache der rapiden Bestandsrückgänge bei einem großen Teil aller noch lebenden Seevogelarten. Zu dieser Zeit galten 97 der weltweit 337 Seevogelarten als vom Aussterben bedroht. Allein mehr als 100.000 Albatrosse und Sturmvögel kamen bis dahin alljährlich durch die illegalen Langleinenfischerei im Südpolarmeer zu Tode. Das Team von BirdLife International setzte sich bei den Regierungen für die Umsetzung nationaler und internationaler Vereinbarungen ein, die der Rettung von den Seevögeln dienen sollten. Im Juni 1999 verabschiedete die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen einen international geltenden Plan zur Verringerung der Anzahl der aufgrund der illegalen Langleinenfischerei verendeten Seevögel, was sich in der weiteren Folge auch positiv auf die Populationen auswirkte.

Seit 1994 findet die derzeitige Bezeichnung „BirdLife International“ für die Vogelschutzorganisation Anwendung und im gleichen Jahr fand zudem auch eine Umstrukturierung statt. BirdLife International organisiert seine Bemühungen zum Erhalt der Vogelwelt seitdem über diverse Partnerorganisationen in verschiedenen Ländern auf der ganzen Welt. In Deutschland ist der Naturschutzbund Deutschland (NABU) beispielsweise ein Teil von BirdLife International und in Schweden ist dafür die auf die Vogelwelt spezialisierte Sveriges Ornitologiska Förening (SOF) zuständig.

Mit den Erfolgen ging es danach weiter. Im Jahr 2000 ist es BirdLife International beispielsweise gelungen, von der indonesischen Regierung eine neuartige Forstlizenz zu erhalten, die sogenannte „Ökosystem-Restaurations-Konzession“. Dies war der Beginn zum Schutz und zum Wiederaufbau eines einzigartigen Lebensraumes und erstmals in der Geschichte übernahm auch gleichzeitig eine Naturschutzorganisation, mit Zustimmung einer Regierung, eine Holzkonzession und rettete dadurch den Regenwald in Teilen Indonesiens. Dieses Leuchtturmprojekt betrifft das Regenwald-Reservat „Hutan Harapan“, einem etwa 100.000 Hektar großem Waldgebiet in den Provinzen Süd-Sumatra und Jambi. Zuvor hatte die indonesische Regierung Konzessionen zur Waldnutzung lediglich für das Abholzen und die anschließende Umwandlung gerodeter Flächen in Agrarland vergeben. Durch die „Ökosystem-Restaurations-Konzession“ durfte und musste der Regenwald nun erstmals erhalten aber auch aufgeforstet werden und stellt seitdem eine sichere Heimat für zahlreiche Vogel- und auch Säugetierarten dar. Ein großer Teil der über 600 Vogelarten der Insel Sumatra wurden in diesem Reservat bisher nachgewiesen.

Gegenwart und Zukunft
100 Jahre nach der Gründung von BirdLife International ist die Bedrohung für zahlreiche Vogelarten größer als je zuvor. Fast die Hälfte aller noch lebenden Spezies sind in ihrem ursprünglichen Bestand deutlich dezimiert worden und jeder achte Vogelart steht immer noch kurz vor der Ausrottung.

Wir sind der Überzeugung, dass Menschen, die sich dort für den lokalen Naturschutz einsetzen wo sie leben aber durch unsere globale Partnerschaft miteinander verbunden sind, der Schlüssel zu einer nachhaltigen Zukunft für alles Leben auf dem Planeten sind.

So wird die Partnerschaft aller Akteure in einem Bericht von BirdLife International beschrieben und so stellen Partnerorganisationen nach wie vor die Basis dieser Organisation dar. Die Wissenschaft ist der zweite wichtige Teil dieses Fundaments. So stützt sich BirdLife International bei seiner gesamten Arbeit für den Vogelschutz ausschließlich auf solide Fakten. Beispielsweise wurden innerhalb der Organisation seit 2010 bereits 635 wissenschaftliche Arbeiten publiziert, die seitdem über 24.000mal von anderen Forschern zitiert worden sind.

Learara (Anadorhynchus leari). Foto: Jörg Asmus

Vier Bereiche sind es, auf die sich die Arbeit von BirdLife International konzentriert: Die Arten (Spezies), die Habitate, die Gesellschaft und die Systeme. Bei den Arten handelt es sich um die Vogelarten, die es zu schützen gilt. Vögel gelten als die besten Botschafter für die Natur als Gesamtheit und somit müssen wir nur darauf achten, dass es den Vögeln gut geht. Dies gelingt vor allem durch einen umfassenden Schutz der ursprünglichen Habitate vor allem für bedrohte Vögel. Ausgewiesene Vogelschutzgebiete (Important Bird Areas), Schlüsselgebiete der biologischen Vielfalt (Key Biodiversity Areas) und Vogelzugrouten spielen dabei eine wichtige Rolle. Äußerst wichtig ist aber auch die Unterstützung durch einen großen Teil der Gesellschaft. Noch mehr Menschen müssen sensibilisiert werden, sich aktiv für den Naturschutz einzusetzen, die dann wiederum weitere Menschen von dieser Dringlichkeit überzeugen müssen. Mit Systeme ist letztendlich das gesamte Ökosystem gemeint. Hier gilt es tiefer in die kausalen Zusammenhänge vorzudringen, die für den Biodiversitätsverlust und den Klimawandel verantwortlich sind und aktiv daran zu arbeiten, diese negative Entwicklung zu stoppen.

Diese Strategie war in den zurückliegenden 10 Jahren in großen Teilen erfolgreich. Mehr Arten als sonst konnte in den letzten Jahren durch gezielte Projektarbeit geholfen werden. Beispielsweise hat die hier bereits zuvor erwähnte Kampagne „Save the Albatros“ dazu geführt, dass der Beifang (Vögel) durch neue Fischfangtechniken deutlich reduziert werden konnte. In Namibia war es ein Rückgang von 98 und in Südafrika von 99,1 Prozent.

Als eine erfolgreiche Geschichte könnte sich auch Folgendes entwickeln: Im Nordatlantik wurde kürzlich ein etwa 600.000 km² großes Gebiet entdeckt, dass ein äußerst wichtiges Areal für viele Meeresvögel zahlreicher Arten darstellt. Es handelt sich um das North Atlantic Current and Evlanov Sea-basin (NACES MPA), einen wichtigen Hotspot für die Nahrungssuche, das schätzungsweise das ganze Jahr über von bis zu 5 Millionen Vögeln aufgesucht wird. 21 verschiedene mit Sendern ausgestattete Vogelarten wurden bis zu diesem Gebiet verfolgt, darunter die Küstenseeschwalbe (Sterna paradisaea), die Falkenraubmöwe (Stercorarius longicaudus) und der Corys Sturmtaucher (Calonectris borealis), die das Gebiet als einen Stützpunkt für ihre transäquatorialen Wanderungen nutzen. Aus der anderen Richtung ziehen Südpolarskua (Catharacta maccormicki), Große Sturmtaucher (Ardenna gravis) und Dunkle Sturmtaucher (Ardenna grisea) aus ihren bis zu 13.000 km südlich gelegenen Brutgebieten dorthin, um an diesem Ort den Winter zu verbringen. Viele der Seevögel legen große Entfernungen zurück, um im NACES MPA nach Nahrung zu suchen, aber einige Arten nutzen dieses Gebiet auch das ganze Jahr über, was darauf hindeutet, dass die Nahrungsverfügbarkeit in der Region konstant hoch ist. Das Gebiet wurde anhand von Seevogel-Tracking-Daten durch eine Analyse unter Leitung von BirdLife International identifiziert und stellt das erste Meeresschutzgebiet auf hoher See dar, das auf der Grundlage von Tracking-Daten ausgewiesen wurde.

 Reisamadine (Padda oryzivora). Foto: Jörg Asmus

Auch entlang der asiatisch-australischen Vogelflugroute befinden sich zahlreiche extrembedrohte Biotope; viele davon sind küstennahe Feuchtgebiete am Gelben Meer. Darunter gelten beispielsweise große Teile als wichtiges Überwinterungsgebiet für den vom Aussterben bedrohten Löffelstrandläufer (Calidris pygmaea), deren Bestand mittlerweile auf unter 100 Brutpaare zurückgegangen ist. Zusammen mit der Asian Development Bank hat BirdLife International ein ehrgeiziges Projekt begonnen, das nicht nur dem seltenen Löffelstrandläufer zugutekommt, sondern jedes Jahr weiteren rund 50 Millionen Wasservögeln in über 200 Arten, die sich auf der Zugroute von Sibirien und Alaska nach Australien und Neuseeland (und umgekehrt) bewegen. Mehrere Milliarden Euro hat dieses Großprojekt bislang verschlungen, Geld, das für den Erhalt von mindestens 50 Schlüsselgebieten eingesetzt wurde. BirdLife International ist es in diesem Zusammenhang beispielsweise auch gelungen China davon zu überzeugen 16 Feuchtgebiete als neue Weltnaturerbestätten auszuweisen, die beiden größten darunter sind jeweils fast 2.000 km² groß.

Nach all diesen großartigen Erfolgen kann man BirdLife International eigentlich nur wünschen, sich auch weiterhin und hoffentlich mindestens genauso erfolgreich wie bisher für den Erhalt unserer Vogelwelt auf dem gesamten Planeten einzusetzen.

 

Jörg Asmus, Kalmar (Schweden)

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